Der BFH hat Mitte 2017 in zwei Urteilen eine lange diskutierte Frage zur Abschreibung der Vertragsarztzulassung beim Erwerb von Vertragsarztpraxen im System der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden. Die Zulassung als sog. Vertragsarzt vermittelt ein höchstpersönliches, öffentlich-rechtliches Statusrecht, das dazu berechtigt, gesetzlich krankenversicherte Patienten zu behandeln und die Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Sie wird in zulassungsbeschränkten Gebieten in einem sog. Nachbesetzungsverfahren erteilt. Sie kann vom Zulassungsinhaber nicht direkt an einen Erwerber veräußert werden. Veräußert werden kann dagegen die Vertragsarztpraxis als solche einschließlich des Praxiswertes und des Inventars.

An der exakten Vertragsgestaltung setzt dann auch der BFH an. In beiden zu Grunde liegenden Fällen wurden Praxisübernahmeverträge geschlossen, in denen es auch um die Überleitung der Vertragsarztzulassungen vom Praxisveräußerer und Zulassungsinhaber auf die Praxiserwerber ging.

Im ersten Fall schloss der Inhaber einer Einzelpraxis mit dem Neugesellschafter einer Gemeinschaftspraxis einen Praxisübernahmevertrag. Der Vertrag war an die erfolgreiche Überleitung der Vertragsarztzulassung auf den Erwerber gekoppelt. Der Praxisabgeber verpflichtete sich im Nachbesetzungsverfahren mitzuwirken. Er verlegte seine Vertragsarztpraxis für eine kurze Zeit an den Ort der Gemeinschaftspraxis. Er wurde aber nicht für die Gemeinschaftspraxistätig.

Der BFH verneinte in diesem Fall die Berechtigung für Abschreibungen des Erwerbers in vollem Umfang. Der Neugesellschafter hat nur den wirtschaftlichen Vorteil aus der auf ihn überzuleitenden Vertragsarztzulassung gekauft. Er hatte weder am Patientenstamm der früheren Einzelpraxis noch an anderen wertbildenden Faktoren ein Interesse. Dieses Wirtschaftsgut ist aber nach Sicht des BFH nicht abschreibbar, da es keinem Wertverzehr unterliegt. Der Inhaber kann eine ihm unbefristet erteilte Vertragsarztzulassung nutzen, solange er sie innehat. Er kann den aus der Zulassung resultierenden wirtschaftlichen Vorteil im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens durch eine Überleitung der Zulassung auf einen Nachfolger verwerten. Das immaterielle Wirtschaftsgut Vertragsarztzulassung nutzt sich folglich nicht in einer bestimmten bzw. bestimmbaren Zeit ab.

Im zweiten Fall erwarb eine fachärztliche Gemeinschaftspraxis die Vertragsarztpraxis eines Kassenarztes. Der Kaufpreis wurde nach den durchschnittlichen Einnahmen aus der Behandlung der gesetzlich und privat versicherten Patienten samt einem Zuschlag ermittelt. Die Einzelpraxis hatte einen besonderen wertbildenden Faktor, weil sie viele Patienten aufgrund von Überweisungen anderer Ärzte erhielt.

Die Gemeinschaftspraxis übernahm einige Mitarbeiter der Einzelpraxis und das Patientenarchiv. Die Erwerber gingen davon aus, dass die früheren Patienten der Einzelpraxis nunmehr die Gemeinschaftspraxis aufsuchen würden. Die bisherigen Praxisräume der Einzelpraxis wurden nicht fortgeführt. Der bisherige Praxisinhaber verpflichtete sich ebenfalls, im Nachbesetzungsverfahren an der Erteilung der Zulassung an eine Gesellschafterin der Gemeinschaftspraxis mitzuwirken.

Diese Konstellation beurteilte der BFH anders. Wird eine Vertragsarztpraxis samt der zugehörigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis,  insbesondere des Praxiswerts, als Chancenpaket erworben, ist der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar im Praxiswert als abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut enthalten. Maßgebliches Indiz für einen derart begünstigten Erwerb einer Praxis als Chancenpaket ist, dass Abgeber und Erwerber einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts der Praxis oder sogar einen darüber liegenden Wert vereinbaren. Die Bindung an die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Abgebers ist dabei ohne Bedeutung. Der BFH bejahte deshalb in diesem Fall die Berechtigung für Abschreibungen auf den Praxiswert und die übrigen erworbenen Wirtschaftsgüter der Praxis.

(Quelle: Auszug aus einer Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs)