Eine gesetzliche Regelung aus der Abgabenordnung kommt plötzlich ins Wanken, die für alle Beteiligten eigentlich wie in Beton gegossen war. Seit Jahrzehnten gilt ein Bescheid, der dem Steuerpflichtigen zugestellt wird, drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugegangen. Auf diese Vorschrift werden sich die Finanzbehörden künftig wohl aber nicht mehr berufen können.
Zumindest für das Bundesland Rheinland-Pfalz wackelt dieser eherne Grundsatz. Für die dortigen Finanzämter dürfte nun feststehen, dass die Aufgabe zur Post nicht nachweisbar ist und dass man sich seitens der Finanzbehörden daher auch nicht mehr auf die Zugangsfiktion berufen kann.
Ausgangspunkt war ein Einspruchsverfahren. Das betroffene Finanzamt sagte in gewohnter Manier, dass dieses Rechtsmittel verspätet eingelegt worden sei. Das Finanzamt hatte das wie üblich damit begründet, das Datum der Postaufgabe sowie das Datum des Bescheids in aller Regel übereinstimmen. Dagegen reichte der Steuerpflichtige eine Klage beim FG ein. Für das FG war das allgemein rechtsverbindliche elektronisch-maschinelle Verfahren ausreichend für eine Ablehnung.
Das weitere Verfahren vor dem BFH brachte die Sache aber ins Wanken. Der BFH verlangte, den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post genau zu ermitteln. Selbst die vom Finanzamt benannten zwei Zeugen konnten den Beweis nicht führen. Um im weiteren Verlauf eine unumgängliche Entscheidung durch Urteil zu vermeiden, in dem die Rechtsauffassung des FG Rheinland-Pfalz explizit begründet worden wäre, hat das Finanzamt die Notbremse gezogen und sich verpflichtet, einen Änderungsbescheid entsprechend dem Antrag des Steuerpflichtigen zu erlassen.
Der Ausgang dieses Verfahrens dürfte richtungsweisend sein. Im zugrunde liegenden Fall konnte das Finanzamt im Rahmen des Prozessvortrags seine Behauptungen nicht belegen. Der Nachweis, dass die Aufgabe des Schreibens an den Steuerpflichtigen zur Post mit dem Datum des Bescheids erfolgt sei, konnte jedenfalls nicht geführt werden. Da es sich bei elektronisch-maschinell erstellten Bescheiden um ein standardisiertes Verfahren handelt, muss das Ergebnis in diesem Prozess auch für andere Steuerpflichtige im Verhältnis zu ihren Steuerbehörden gelten.