Der BFH rüttelt mal wieder „an den Grundfesten des Steuerrechts“. Zumindest so ähnlich könnte man ein sog. Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) übersetzen. Es geht im Kern um die Frage, ob die Sollbesteuerung im Umsatzsteuerrecht mit europäischen Vorgaben in Einklang zu bringen ist. Der BFH zweifelt an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer.

In dem Verfahren geht es um eine Klägerin, die der sog. Sollbesteuerung unterliegt. Sie muss also – wie jedes Unternehmen ab einer bestimmten Umsatzgröße – die Umsatzsteuer bereits mit der Leistungserbringung unabhängig von der Bezahlung des Entgelts versteuern. Die Steuerpflichtige hatte Anspruch auf Provisionszahlungen aus der Vermittlung von Fußballspielern. Die Ansprüche waren von mehreren Voraussetzungen abhängig. Außerdem waren sie in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages des Spielers zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen.

Das Finanzamt versteuerte die im Jahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012, als Teile des Entgelts vertragsgemäß erst im Jahr 2015 fällig waren. Die Sichtweise des Finanzamtes entspricht einer jahrzehntelang geübten Besteuerungspraxis. Der BFH bezweifelt jetzt aber, ob dies mit den bindenden Vorgaben des Unionsrechts über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vereinbar ist. Auf seine Vorlage soll der EuGH insbesondere entscheiden, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.

Die dem EuGH in dieser Rechtssache vorlegten Fragen sind von erheblicher Praxisbedeutung. Sie beziehen sich in erster Linie auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch bei befristeten Zahlungsansprüchen wie etwa beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings von Bedeutung sein. Auch hier besteht nach gegenwärtiger Praxis für den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Warenlieferung bereits mit der Übergabe der Ware vollständig abführen zu müssen. Dies gilt nach bisheriger Praxis auch dann, wenn er einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.