Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht wird für einige Bereiche der Wirtschaft ein völlig neues Gutscheinsystem in Kraft gesetzt. Veranstalter und Betreiber können nunmehr Gutscheine für Corona-bedingte Absagen und Schließungen an Stelle einer Gelderstattung ausgeben. Anders als bisher müssen Verbraucher nun im Zweifel Gutscheine akzeptieren. Ein Recht auf Erstattung der Kosten – wie bisher gesetzlich verankert – wird damit ausgesetzt.
Das neue Gesetz gilt auch rückwirkend für alle Veranstaltungs-Tickets, die vor dem 8. März 2020 gekauft wurden. Ist eine solche Veranstaltung ausgefallen und hat der Veranstalter das Geld noch nicht zurückerstattet, kann er nun auch mit Rückwirkung ohne Zustimmung des Kunden einen Gutschein ausstellen. Diese durch das Gesetz eingeführte Rückwirkung ist ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang. Er wirft jetzt schon vermehrt Bedenken auf, ob das ein verhältnismäßiger Eingriff in geltendes Recht ist.
Das Gesetz soll Veranstalter von Musik-, Kultur-, Sport-, oder sonstigen Freizeitveranstaltungen und Betreiber von Freizeiteirichtungen wie Museen, Schwimmbäder oder Sportstudios von den wirtschaftlichen Folgen entlasten, die durch die Pandemie entstanden sind. Gleichzeitig wird dem Risiko entgegengewirkt, dass die Erstattungsansprüche der Verbraucher durch Insolvenzen wirtschaftlich wertlos werden. Nach dem bisher geltenden Recht konnten die Inhaber von Eintrittskarten oder Saison- und Jahreskarten eine Rückerstattung ihrer bereits gezahlten Eintrittspreise in Geld verlangen, wenn aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Veranstaltung nicht stattfinden konnte oder eine Freizeiteinrichtung geschlossen werden musste.
Veranstalter sind berechtigt, dem Inhaber einer Eintrittskarte statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen. Dieser Wertgutschein kann dann entweder für die Nachholveranstaltung oder alternativ für eine andere Veranstaltung eingelöst werden. Entsprechend wird dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht gegeben, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht genutzten Teils der Berechtigung wie einer Jahreskarte entspricht. Der Inhaber eines solchen Gutscheins kann jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen, wenn die Annahme eines Gutscheins für ihn aufgrund der persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird. In letzterem Fall bewirkt der Gutschein eine bloße Stundung des Erstattungsanspruchs.
Seit Monaten bastelt die Bundesregierung auch an einer ähnlichen Lösung für Pauschalreisen. Alle Versuche, auch hier verpflichtend Gutscheine einzuführen, scheiterten an der EU-Kommission. Verbraucher haben nach den europarechtlichen Vorgaben zum Pauschalreiserecht einen Anspruch auf Erstattung ihrer Vorauszahlungen, wenn die Reise aufgrund von Reisebeschränkungen abgesagt werden muss. In der aktuellen Corona-Pandemie stehen wegen der weltweiten Reisebeschränkungen viele Reiseveranstalter und Reisebüros vor existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen, weil sie den Reisenden ihre Vorauszahlungen erstatten müssen.
Das bestehende System der Insolvenzsicherung im Reiserecht ist damit absehbar überlastet. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund und auf Grundlage der Empfehlungen der Europäischen Kommission ein neues Lösungspaket beschlossen.
Bei vor dem 8. März 2020 gebuchten Reisen, die wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden können, soll den Reiseveranstaltern ermöglicht werden, den Pauschalreisenden statt der sofortigen Erstattung der Vorauszahlungen Gutscheine für spätere Pauschalreisen anzubieten. Die Gutscheine sind im ersten Schritt über die bisherige Versicherung abgesichert und für den Fall, dass die Versicherung nicht ausreicht, darüber hinaus durch eine staatliche Garantie bis zu vollen 100% des Wertes. Die Gutscheine gewährleisten damit die volle Werthaltigkeit des Erstattungsanspruchs auch für den Fall der Insolvenz des Reiseveranstalters. Die Gutscheine sind freiwillig. Darauf müssen die Reiseveranstalter hinweisen. Die Pauschalreisenden können den Gutschein ablehnen. Sie behalten dann ihren sofortigen Erstattungsanspruch.
Reisende, die einen Gutschein vor Inkrafttreten dieser Vorschriften erhalten haben, sollen die Möglichkeit haben, von ihrem Vertragspartner den Umtausch dieses Gutscheins in einen Reisegutschein im Sinne dieser Vorschrift beziehungsweise eine entsprechende Anpassung des Gutscheins, zum Beispiel durch dessen Ergänzung, zu verlangen. Wird der Gutschein nicht bis spätestens Ende 2021 eingelöst, so ist der Wert in Höhe des ursprünglichen Reisepreises an ihn auszukehren.