Der BGH hat einem Grundstücksnachbarn – vorbehaltlich naturschutzrechtlicher Beschränkungen – ein erweitertes Selbsthilferecht zugesprochen. Er darf demnach überhängende Äste abschneiden, auch wenn durch das Abschneiden das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht.

Im Allgemeinen kann der Eigentümer eines Grundstücks Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt. Die Berechtigung greift nicht, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

Das Selbsthilferecht nach den Vorgaben des BGB sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein, es unterliegt daher insbesondere keiner Verhältnismäßigkeitsprüfung. Zudem liegt die Verantwortung dafür, dass Äste und Zweige nicht über die Grenzen des Grundstücks hinauswachsen, bei dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum steht. Er ist hierzu im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung seines Grundstücks gehalten.

Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach und lässt er die Zweige des Baumes über die Grundstücksgrenze wachsen, dann kann er nicht unter Verweis darauf, dass der Baum nunmehr droht, durch das Abschneiden der Zweige an der Grundstücksgrenze seine Standfestigkeit zu verlieren oder abzusterben, von seinem Nachbarn verlangen, das Abschneiden zu unterlassen und die Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen. Das Selbsthilferecht kann aber durch naturschutzrechtliche Regelungen, etwa durch Baumschutzsatzungen, eingeschränkt sein.