In Deutschland wird die Kindererziehung in zwei miteinander verwobenen Verfahren gefördert. Eltern haben im Regelfall einen Anspruch auf Kindergeld. Sie können aber auch im Rahmen einer Steuererklärung einen steuerlichen Kinderfreibetrag beantragen. Für einige Steuerzahler bringen die Kinderfreibeträge einen zusätzlichen steuerlichen Vorteil. Wenn man eine Steuererklärung samt Anlage Kind für jedes Kind ausfüllt, wendet das Finanzamt automatisch die günstigste Variante an.

Beim Antrag im Rahmen einer Steuererklärung gibt es aber keine doppelte Förderung. Vom zusätzlichen Steuervorteil wird das bereits erhaltene Kindergeld in Abzug gebracht, so dass man im Rahmen der Steuerveranlagung nur den zusätzlichen Vorteil erhält.

Wie ist dieses Verfahren auszulegen, wenn man das Kindergeld tatsächlich nicht ausbezahlt bekommen hat? Hierzu hat sich kürzlich das FG Hessen geäußert. Das Urteil bezieht sich allerdings auf einen früheren Rechtsstand. Die aktuelle Situation erläutern wir unten.

Die Eltern beantragten im Mai 2018 bei der zuständigen Familienkasse erstmals die Festsetzung von Kindergeld mit Rückwirkung mindestens ab Januar 2017. Das lehnte die Familienkasse ab, weil die damals geltende Rückwirkung auf sechs Monate begrenzt war. Kindergeld wurde den Eltern erst ab November 2017 ausgezahlt.

In der Einkommensteuererklärung beantragten die Kläger die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages unter Anrechnung des tatsächlich gezahlten Kindergeldes für November und Dezember 2017. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Das FG folgte dem Finanzamt.

Das Finanzamt ist an die rechtliche Einschätzung der Familienkasse nicht gebunden. Es prüft allein das materiell-rechtliche Bestehen des Kindergeldanspruchs. Und nach dem damaligen Gesetzesstand war eben nicht nur das tatsächlich an den Berechtigten gezahlte Kindergeld anzurechnen, sondern auch der fiktive Anspruch.

Die Revision ist unter dem Az. III R 50/19 beim BFH anhängig.

Durch eine Gesetzesänderung in 2019 wurde die vorstehend erläuterte Einschränkung mit Wirkung zum 18.7.2019 aufgehoben. Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung bleibt der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen Verfristung nicht ausgezahlt wurde. Für die Zukunft ist damit gewährleistet, dass Kindergeld nur in tatsächlich ausgezahlter Höhe bei der Einkommensteuer angerechnet wird.