Die behördlich angeordneten Schließungen von Geschäften im sog. Lockdown haben den Gesetzgeber im Bereich des Gewerbemietrechts auf den Plan gerufen. Seit den ersten Schließungen im Frühjahr 2020 wird auf breiter Front diskutiert, ob vertraglich vereinbarte Mietzinszahlungen für den Zeitraum der Schließungen anteilig oder in voller Höhe gekürzt werden können oder ob mit dem Vermieter über eine Kürzung verhandelt werden kann. Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist leider nicht einheitlich. Der Gesetzgeber versucht nun mit neuen Regelungen, das Streitpotenzial zwischen Vermietern und Mietern zu reduzieren.

Die grundsätzliche Frage lautet, ob ein Vermieter auf einen Teil der Gewerberaummiete verzichten muss, wenn der gewerbliche Mieter auf behördliche Anordnung den angemieteten Gewerberaum schließen musste. Die bisherigen Gerichtsentscheidungen kommen zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen. So hat z. B. das LG Frankfurt verneint, dass die durch eine behördliche Anordnung bedingte Ladenschließung rechtlich einen Mangel darstellt, welcher eine Mietminderung rechtfertigt. Das Verwendungsrisiko trägt nach dieser Entscheidung ausschließlich der Mieter. Das LG München sieht dagegen in der behördlich angeordneten Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts einen Mangel der Mietsache.

Der Gesetzgeber wollte mit einer Neuregelung im BGB die Rechte der Gewerbemieter stärken und für mehr Rechtssicherheit sorgen. Er behilft sich zu diesem Zweck mit einer Vermutungsregelung. So wird künftig tatsächlich, aber auch widerleglich vermutet, dass in Fällen, in denen Gewerbemieträume aufgrund staatlicher Maßnahmen nicht oder nur stark eingeschränkt genutzt werden können, eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Die Störung kann zu einer Anpassung des Mietvertrags führen.

Da die Vermutung widerleglich ist, dürfte sie keine Anwendung auf Verträge finden, die zu einem Zeitpunkt geschlossen wurden, in dem eine Pandemie in der breiten Öffentlichkeit bereits absehbar war. Dann ist nach Ansicht des Gesetzgebers davon auszugehen, dass ein solcher Mietvertrag in Kenntnis einer möglicherweise bevorstehenden tiefgreifenden Veränderung des Wirtschaftslebens geschlossen wurde.

Außerdem werden Gerichte angehalten, Verfahren über Rechtsstreitigkeiten zur Anpassung der Miete für Gewerberäume wegen staatlicher Schließungen vorrangig und beschleunigt durchzuführen.

Der Mieter, der eine Mietminderung begehrt, muss auch künftig von sich aus tätig werden. Der neue gesetzliche Rückenwind könnte die Prozesse zwar beschleunigen. Es wird aber kein Freibrief für Mieter werden. Vor allem muss klar sein, dass keine pauschale gesetzliche Minderungsmöglichkeit eingeführt worden ist. Der Mieter ist darlegungsverpflichtet. Und er muss sich anderweitige Einsparungen (z. B. durch Kurzarbeit des Personals, Wegfall des Wareneinkaufs) anrechnen lassen. Auch alle Zuschüsse (Coronahilfen, Überbrückungshilfe u. ä.), mit denen die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkungen zumindest teilweise kompensiert werden sollen, sind einzurechnen.

Die Neuregelung wird deshalb kein „Selbstläufer“ für Mieter werden. Neben der erhofften Reduzierung des Mietzinses kann es auch durchaus „nur“ eine Stundung des Mietzinses für den Zeitraum der behördlich angeordneten Schließung sein.