Seit geraumer Zeit mehren sich auch in Deutschland die (zum Teil rechts angehauchten) Stimmen, die eine Reduzierung des Kindergeldes fordern, wenn das Kind (vor allem im osteuropäischen) Ausland lebt. Österreich hat in diesem Punkt bereits gehandelt und hat sich jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission eingehandelt.

Die auch in Deutschland geführte Diskussion stört sich vor allem an Fällen, bei denen die in Deutschland lebenden Eltern nicht erwerbstätig sind, eine größere Zahl an Kindern nachweisen und die Kinder im „billigeren“ EU-Ausland leben. Mutmaßungen gehen auch dahin, dass die Zahl der Kinder „auf wundersame Weise“ vermehrt worden sein könnte. Mit dem dann reichlich fließenden Kindergeld und den Sozialleistungen der Eltern hätte die Familie dann deutlich höhere Einnahmen als wenn die Familie im billigen Ausland leben und arbeiten würde.

Österreich hatte nicht nur diese vermeintliche Umgehung im Auge und hat deshalb eine Indexierung von Familienbeihilfen und Steuerermäßigungen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten und deren Kinder im Ausland leben eingeführt. Seit dem 1. Januar 2019 passt Österreich die Familienbeihilfen und einschlägige Steuerermäßigungen, die für Kinder mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat ausbezahlt werden, an die Lebenshaltungskosten des betreffenden Mitgliedstaats an. Das bedeutet, dass EU-Bürger, die in Österreich arbeiten und in gleicher Weise Sozialbeiträge und Steuern entrichten wie lokale Arbeitnehmer, niedrigere Leistungen erhalten.

Diese generelle Form der Differenzierung stört allerdings die EU-Kommission. Im Sinne einer Gleichbehandlung innerhalb des Binnenmarktes könne es keine Arbeitnehmer zweiter Klasse geben. Wenn Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, in gleicher Weise wie lokale Arbeitskräfte zum Sozialsystem beitragen, dann sollten sie auch in den Genuss der gleichen Leistungen kommen – auch wenn ihre Kinder im Ausland wohnen. Deshalb hat die Europäische Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich offiziell eingeleitet. Österreich hat nun zwei Monate Zeit, um auf die Anmerkungen der Kommission zu reagieren.

Die Lage für Österreich scheint auf den ersten Blick klar. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet jegliche mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Aber diese vermeintliche Klarheit trügt u. E. ein wenig. Bereits im Dezember 2016 hat die Kommission eine Überarbeitung der Vorschriften zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorgelegt, um sie gerechter, klarer und leichter durchsetzbar zu machen. Selbst im Rat und im Parlament gibt es seither Stimmen, die eine Indexierung von Familienleistungen für im Ausland lebende Kinder vorschlagen. Bisher wurden diese Vorschläge abgelehnt. Die abschließenden Verhandlungen über einen Kompromiss sind noch im Gange. Mal sehen, ob Österreich hier Bewegung in die EU bringen kann. In Deutschland würde das sicherlich deutliche Resonanz finden.