Haben Sie das auch schon mal geschafft? Sie machen ein Geschäft mit sich selbst (was juristisch sicher schwierig wäre) und machen dabei einen Gewinn. Für einen normal Denkenden ist das sicher nicht vorstellbar, aber die EU schafft das, und sogar in gigantischer Höhe. Sie hatte 2018 mit sich selbst einen Handelsüberschuss von 307 Milliarden Euro. Bei einer korrekten Erfassung aller Im- und Exporte muss dieser logischerweise null sein. Was der eine Staat einkauft muss der andere verkauft haben.

Das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel) und das ifo Institut in München kommen zu diesem durchaus seltsamen Ergebnis. Aber was steckt dahinter? Messfehler alleine können nach Ansicht der Wissenschaftler diese systematische Abweichung nicht erklären. Vielmehr scheint massiver Umsatzsteuerbetrug eine Ursache, der die EU-Staaten 30 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr kostet.

„Wenn Unternehmen Umsätze als Exporte deklarieren, sind diese von der Umsatzsteuer befreit. Werden diese Umsätze aber gar nicht im Ausland erzielt, sondern im Inland, fehlen sie in der Importstatistik des angeblichen Handelspartners und bleiben damit unversteuert“, so die These der Autoren.

Nach den Schätzungen sind dem europäischen Fiskus so alleine im Jahr 2018 rund 30 Milliarden Euro verloren gegangen. Die Wissenschaftler empfehlen einen digitalen, automatisierten Datenabgleich von Importen und Exporten innerhalb der EU, um Bilanzfehler künftig zu verringern und Betrug zu erschweren.

Die Forscher analysieren die erfassten Handelsdaten aller 28 EU-Mitgliedsstaaten untereinander seit 1999. Allein 2018 betrug der EU-EU-Handelsüberschuss beachtliche 307 Milliarden Euro. Die gesamte Welt hatte 2018 einen Handelsüberschuss mit sich selbst von 357 Milliarden Euro. Die globale Abweichung geht demnach zu 86 Prozent allein auf die EU zurück. Die EU bilanziert seit Gründung des Binnenmarktes 1993 einen Handelsüberschuss mit sich selbst, der mit der EU-Osterweiterung deutlich anstieg und sich über die letzten zwölf Jahre auf insgesamt 2,9 Billionen Euro summiert.

Am stärksten ins Gewicht fallen die statistischen Abweichungen in der Bilanz des Vereinigten Königreiches, was aber auch zurückgeht auf die dort praktizierte, bloß stichprobenmäßige Erfassung von Handelsdaten. Betrachtet man allein die Eurozone, sinkt der Überschuss im Jahr 2018 von 307 auf 126 Milliarden Euro. Geht man auch bei Länderpaaren, die Großbritannien umfassen, davon aus, dass die Bilanzabweichungen auf Steuerbetrug zurückzuführen sind, wurden in der EU 64 Milliarden Euro Steuern hinterzogen.

Die Autoren untersuchen verschiedene Erklärungen für die statistischen Abweichungen. Messfehler oder zufällige Ungenauigkeiten allein können die Abweichungen demnach nicht erklären, da diese dann im langfristigen Durchschnitt null sein müssten. Steuerhinterziehung gilt deshalb als eine sehr wahrscheinliche Ursache des EU-EU-Handelsüberschusses. Sie kostet den Steuerzahler jedes Jahr Milliarden.

Im Durchschnitt werden den Mitgliedsländern 18 Prozent zu viel Warenexporte und 26 Prozent zu viel Dienstleistungsexporte gemeldet. Dabei ist die Bilanzqualität der einzelnen Staaten höchst unterschiedlich. Die beste Datenqualität liefern die Niederlande, Deutschland liegt im vorderen Mittelfeld. Zypern, Irland, Luxemburg und Schweden weisen die größten Abweichungen auf. Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Nachbarstaaten und Mitgliedsländern mit größeren Unterschieden in den Mehrwertsteuersätzen.