Für Freiberufler ist der Verkauf der Praxis oder des Betriebes oft ein wesentlicher Baustein in der Altersvorsorge. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber ähnlich wie bei Gewerbetreibenden eine begünstigte Besteuerung des Veräußerungserlöses geschaffen. Der Freiberufler kann die Begünstigung in Anspruch nehmen, wenn er die für die Ausübung wesentlichen Betriebsgrundlagen, insbesondere auch den Mandantenstamm und den Praxiswert, entgeltlich auf einen anderen überträgt. Die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis muss nach den grundsätzlichen Vorgaben wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt werden.

Unschädlich ist es aber nach Ansicht der Finanzverwaltung, wenn der Veräußerer nach der Veräußerung frühere Mandanten auf Rechnung und im Namen des Erwerbers berät oder eine angestellte nichtselbständige Tätigkeit in der Praxis des Erwerbers ausübt. Ebenfalls unschädlich ist auch die Fortführung einer freiberuflichen Tätigkeit in geringem Umfang, wenn die darauf entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten.

Das Vorliegen einer begünstigten Veräußerung wird aber vielfach von der Finanzverwaltung angezweifelt, wenn der Veräußerer weiterhin die persönliche Beziehung zu früheren Mandanten auf eigene Rechnung nutzt. Dies kann er tun, indem er einzelne Patienten oder Mandanten auf eigene Rechnung weiter betreut, aber auch dadurch, dass er die Beziehung zu früheren Patienten oder Mandanten nutzt, um neue Mandate zu gewinnen. In beiden Fällen nutzen sowohl Veräußerer als auch Erwerber das bisherige durch Mandanten und Praxisnamen bedingte Wirkungsfeld für ihre freiberufliche Tätigkeit, zu der neben der Mandantenbetreuung auch die Gewinnung neuer Mandate zählt.

Diese Neu-Akquisition führte in der Vergangenheit immer wieder zu Streit mit den Finanzämtern. Bisher vertrat die Finanzverwaltung nämlich die Auffassung, dass die Hinzugewinnung neuer Mandanten bzw. Patienten im Rahmen einer ansonsten zulässigen geringfügigen Tätigkeit für die Annahme einer begünstigten Veräußerung schädlich ist.

Diese Ansicht hat der BFH Anfang des Jahres gekippt. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung steht der Gewährung der Tarifermäßigung für die Veräußerung einer freiberuflichen Praxis nicht entgegen, wenn die Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis nur geringfügig weitergeführt wird, dabei aber auch neue Mandanten betreut werden. Auch ist es für die Gewährung der Tarifermäßigung nicht erforderlich, bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit eine Wartezeit von mindestens drei Jahren einzuhalten. Je nach Umständen des Einzelfalls kann ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren ausreichend sein.

Die Finanzverwaltung hat jetzt eingelenkt. Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt hat stellvertretend für die anderen Finanzbehörden eine neue Ansicht zu dieser Frage veröffentlicht. Abweichend von der bisherigen Auffassung wird nunmehr ausgehend von dem genannten Beschluss des BFH bundeseinheitlich abgestimmt vertreten, dass die Hinzugewinnung neuer Mandanten bzw. Patienten im Rahmen geringfügiger Tätigkeit für die Annahme einer begünstigten Veräußerung unschädlich ist.