Die Europäische Kommission hat Pläne für die größte Reform der EU-Mehrwertsteuervorschriften seit einem Vierteljahrhundert vorgelegt. Durch die Neuregelung soll das System für Regierungen und Unternehmen gleichermaßen verbessert und modernisiert werden. Insgesamt gehen jedes Jahr mehr als geschätzte 150 Mrd. Euro an Mehrwertsteuern verloren, sodass den Mitgliedstaaten Einnahmen fehlen, die für Schulen, Straßen und Gesundheitsversorgung verwendet werden könnten. Schätzungen zufolge verursacht allein der grenzüberschreitende Betrug Mehrwertsteuereinbußen von rund 50 Mrd. Euro (d. h. 100 Euro pro EU-Bürger) jährlich. Schätzungen zufolge könnten diese Ausfälle durch die vorgeschlagene Reform um 80 % verringert werden.

Die vorgeschlagene Reform der Mehrwertsteuer würde das System auch für Unternehmen einfacher machen. Grenzüberschreitend tätige Unternehmen haben derzeit um 11 % höhere Kosten für die Vorschrifteneinhaltung als nur im Inland tätige Unternehmen.

Die Europäische Kommission setzt sich seit Langem für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem ein, das dem Binnenmarkt angemessen ist. Das bestehende Mehrwertsteuersystem ist vor einem Vierteljahrhundert eingeführt worden. Es war von Beginn an nur für vorübergehende Dauer gedacht. 25 Jahre nach der Schaffung des Binnenmarkts sehen sich Unternehmen und Bürger, die grenzübergreifenden Geschäften nachgehen möchten, noch immer 28 unterschiedlichen Mehrwertsteuersystemen gegenüber.

Mit dem Paket schlägt die Kommission vor, das derzeitige Mehrwertsteuersystem grundlegend zu verändern, indem der Verkauf von Waren von einem EU-Land in ein anderes in gleicher Weise besteuert wird wie der Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaats. Vier grundlegende Prinzipien sollen das neue System prägen. Diese sind Betrugsbekämpfung, zentrale Anlaufstellen, größere Kohärenz und weniger Bürokratie.

Künftig wird auf den grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen Mehrwertsteuer erhoben. Diese Art von Handel ist derzeit von der Mehrwertsteuer befreit. Dank einer zentralen Anlaufstelle soll es für grenzüberschreitend tätige Unternehmen einfacher werden, ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten nachzukommen. Unternehmer können künftig in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln und administrativen Mustern wie in ihrem Heimatland Erklärungen abgeben und Zahlungen durchführen. Die Mitgliedstaaten leiten einander dann die Mehrwertsteuer weiter, wie dies bei elektronischen Dienstleistungen bereits der Fall ist.

Das gesamte System soll auf das „ Bestimmungslandprinzip“ umgestellt werden, bei dem der endgültige Betrag der Mehrwertsteuer stets an den Mitgliedstaat des Endverbrauchers entrichtet wird und dem in diesem Mitgliedstaat geltenden Satz entspricht. Außerdem sollen die Vorschriften für die Rechnungslegung vereinfacht werden, sodass die Verkäufer auch beim grenzüberschreitenden Handel Rechnungen gemäß den Vorschriften ihres eigenen Landes stellen können. Die Unternehmen müssen künftig keine Liste von grenzüberschreitenden Transaktionen („ zusammenfassende Meldung“) für ihre Finanzbehörde mehr erstellen.

Durch den heutigen Vorschlag wird ferner der Begriff „ zertifizierter Steuerpflichtiger“ eingeführt. Darunter werden vertrauenswürdige Unternehmen verstanden, die von einfacheren und zeitsparenden Vorschriften profitieren sollen.