Die Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eines Kollegen in dessen Praxis ist unter Vertrags (zahn-) Ärzten gängige Praxis und ganz im Interesse der Patienten. Sie gewährleisten auf diese Weise eine durchgehende Versorgung ihrer Patienten.

Die Tätigkeit eines Praxisvertreters wirft seit einigen Jahren vermehrt die Frage auf, ob der Arzt im Rahmen seiner Vertretungstätigkeit für einen anderen Kollegen eine selbständige Tätigkeit ausübt oder ob er vom Inhaber der Praxis im Status eines angestellten Arztes beschäftigt wird. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) ist in jüngster Zeit vermehrt zu der Auffassung gelangt, das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit abzulehnen und eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu unterstellen. Dadurch werden für den vertretenen Arzt als Auftraggeber Beiträge zur Sozialversicherung fällig. Da die Kassen der Rentenversicherung offenkundig chronisch leer sind, kann man sich leicht ausmalen, dass die Prüfungsmaßstäbe der DRV diesbezüglich sehr viel strenger geworden sind. Man kennt diese Entwicklung aus vielen anderen Bereichen. Die Feststellung einer Sozialversicherungspflicht hat für den Praxisinhaber erhebliche Nachteile. Er kann sich auf Nachforderungen von (Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-) Sozialversicherungsbeiträgen einstellen, die regelmäßig bis zu vier Jahre in die Vergangenheit zurückreichen.

Betrachtet man die bisherige Rechtsprechung, kann es durchaus Sinn machen, sich gegen solche Nachforderungen zu wehren. In den mehreren Fällen nämlich dürften die Voraussetzungen für eine selbständige Tätigkeit beim Praxisvertreter vorliegen.

Das SGB IV definiert die sozialversicherungspflichtige „Beschäftigung“ als nichtselbständige Arbeit, die nach Weisungen erfolgt und die mit einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers einhergeht. Will man das vermeiden, genügt es aber nicht, entsprechende Klauseln im Vertretungsvertrag aufzunehmen. Vereinbarungen, die nur formell festgehalten sind, aber nicht gelebt werden, ignoriert die DRV. Es zählen allein die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit. Maßgeblich für das Vorliegen einer abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ist eine Eingliederung in den Betrieb und ein die Zeit, die Dauer, den Ort und die Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht des Auftraggebers.

Die Rechtsprechung zum Vertretungsarzt gibt es schon seit rund 60 Jahren. Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil aus 1959 festgestellt, dass die ärztliche Praxisvertretung im Regelfall als selbständige Tätigkeit eingeordnet werden kann. Es ist demnach nicht schädlich, wenn die Praxisräume des vertretenen Arztes genutzt und dessen angestellte Hilfskräfte in Anspruch genommen werden. Maßgeblich ist, dass der Praxisvertreter bei der Ausübung seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterworfen ist und die alleinige ärztliche Verantwortung für die Behandlung der Patienten trägt.

Die DRV maßt sich in manchen Fällen an, die Rechtsprechung des BSG als überholt zu bezeichnen. So wird eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit des Vertreters bereits dann unterstellt, wenn dieser die erbrachten ärztlichen Leistungen – wie der Praxisinhaber – unter Inanspruchnahme des Praxispersonals gegenüber der KV abrechnet. Dies würde eine Unterordnung in die vorgefundene Praxisstruktur darstellen und einer selbständigen Berufsausübung widersprechen.

Zur Vermeidung unliebsamer Nachforderungen bietet sich das sog. Statusfeststellungsverfahren an. Sowohl der Vertreter wie auch der Auftraggeber können feststellen lassen, dass eine Vertretungstätigkeit selbständig erfolgt. Das Verfahren ist für jede einzelne Vertretertätigkeit unabhängig von deren Dauer separat zu beantragen. Gegenüber der DRV muss detailliert dargelegt werden, was die konkrete Tätigkeit zu einer selbständigen macht bzw. gemacht hat.

Entscheidend für den positiven Ausgang eines solchen Verfahrens ist nicht zuletzt eine ausführliche und exakt formulierte Beschreibung der Vertretungstätigkeit. Sie sollte konkrete Beispiele aus dem Arbeitsalltag benennen und jeden Aspekt, der auf eine selbständige Tätigkeit schließen lässt, hervorheben. Im Anschluss an das Statusfeststellungsverfahren kann der Arzt bei der DRV dann einen Befreiungsantrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung stellen.

Im Antrag sollte möglichst detailliert auf die verschiedenen Aspekte der konkreten Vertretungstätigkeit eingegangen werden. Beispielsweise sollte erwähnt werden, dass der Vertretungsarzt weder in fachlicher noch in organisatorischer Hinsicht weisungsgebunden ist, die Sprechstunden eigenständig durchführt, die Patienten nach eigenem Therapieregime behandelt, keine Weisungen bezüglich der Patienteneinbestellung oder -behandlung, Materialnutzung oder Dokumentation erteilt sind, selbst die Verantwortung für die Einhaltung und konkrete Ausübung des fachärztlichen Standards trägt, die Tage der Vertretung stets selbst festlegt, und dem vertretenen Kollegen im Anschluss eine Rechnung über die tatsächlich erfolgte Anwesenheitszeit ausstellt.