Für die meisten Bürger ist das vermutlich eine Frage, die man sich so nicht oft stellt. Da es bei dieser Frage aber um sehr viel Geld, nämlich den Großteil des Steueraufkommens in Deutschland geht, kann man darauf durchaus den einen oder anderen Gedanken verwenden.

Für die Praktiker ist ein Trend in der Steuerverwaltung ganz klar auszumachen: das Besteuerungsverfahren wird zusehends „entpersonalisiert“. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens in 2016 einen wesentlichen Grundstein dafür gelegt. Das Gesetz schaffte den gesetzlichen Rahmen für ein Gesamtpaket aus technischen, organisatorischen und rechtlichen Modernisierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Handhabbarkeit des Besteuerungsverfahrens. Mehr Serviceorientierung und nutzerfreundlichere Prozesse sollten für alle Beteiligten zu einem einfacheren, schnelleren und effizienteren Steuervollzug führen.

Wie so oft bei solchen Verfahren war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken. Für die Finanzverwaltung war es der lang ersehnte Einstieg in die Technisierung der Steuerveranlagung. Der „gute alte Finanzbeamte“ ist eine aussterbende Spezies geworden. Die Attraktivität für einen Job in der Finanzverwaltung ist erheblich gesunken.

Die Abgabenordnung ging in ihrer Idealvorstellung noch davon aus, dass Steuerbescheide durch einen Amtsträger erlassen werden. Dieser sieht sich die eingereichten Steuererklärungen durch, ermittelt den Sachverhalt und würdigt ihn rechtlich, ehe er den Steuerbescheid erlässt. Diese Vorstellung der Steuerveranlagung ist schon heute durch die technischen Entwicklungen überholt und EDV-gestützte Risiko-Managementsysteme ersetzen in der Finanzverwaltung zunehmend den „menschlichen Amtsträger“. Die früher viel zitierte Steuergerechtigkeit ist einem schieren Risikomanagement in der Steuerveranlagung gewichen.

Der Steuerbürger musste folglich zu einem gläsernen Bürger modifiziert werden. Seit Jahren übermitteln mittlerweile Arbeitgeber, Rentenversicherungsträger, Leistungsträger von Lohnersatzleistungen, Versicherungen und Banken alle steuerrelevanten Daten an die Finanzverwaltung, um dieser eine maschinelle Bearbeitung der ohnehin elektronisch eingereichten Erklärungen zu ermöglichen. Eine „normale“ Steuererklärung sieht heutzutage keinen Finanzbeamten mehr.

Wie wird es in Zukunft weitergehen? Die Steuerveranlagung wird aus unserer Sicht noch viel stärker technisiert und anonymisiert werden. Die Finanzverwaltung sammelt immer mehr Daten ein und stellt diese den Steuerpflichtigen zur Verfügung. Hierdurch soll der Steuerpflichtige angelockt werden, alle Daten, die der Finanzverwaltung von Dritten übermittelt werden, unbesehen in seine Steuererklärung zu übernehmen. Ziel ist die Steuererklärung ohne Formular, Quasi nur noch auf Knopfdruck.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde dieses System 2017 schon an Rentnern getestet, getreu dem Slogan „Es geht auch ohne Steuererklärung“. Damit sollte eine neue Verfahrensform getestet werden, die sog. Amtsveranlagung. Die Rentner mussten nur eine Einverständniserklärung unterschreiben und bestätigen, dass sie nur Renteneinkünfte erzielten. Völlig unklar blieb bei dem Verfahren aber die Einhaltung der bestehenden verfahrensrechtlichen Grundsätze der Abgabenordnung. Mangels Einverständniserklärung von Bund und Ländern wurde der Versuchsballon wieder eingeholt.

Die Technisierung lässt auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als wichtiges Korrektiv außer Betracht. Bisher galt der Grundsatz, dass es für eine funktionierende Finanzverwaltung erforderlich ist, von allen Tatsachen Kenntnis zu erlangen, die aus Sicht der Finanzverwaltung entscheidungserheblich sind, im Zweifel auch zugunsten des Steuerpflichtigen. Hat künftig dann ein Computer diese Kenntnis? Und wer artikuliert sie in welcher Form? Wie prüft man grobes Verschulden eines Steuerpflichtigen, wenn nachträglich steuererhöhende neue Tatsachen bekannt werden?

Das sind nur ein paar wenige Aspekte, die die Finanzverwaltung in ihrem Streben nach Rationalisierung außer Betracht lässt. In Summe sprechen gewichtige Gründe dafür, dass ein Steuerpflichtiger mit einer Einverständniserklärung keine Steuererklärung abgibt. Er erfüllt damit die ihn treffende Abgabepflicht nicht. Was könnten Alternativen sein? Könnten online zu bestückende Formulare mit den Daten der Finanzverwaltung eine Lösung werden? Oder werden externe Einrichtungen, bspw. Steuerberater, ermächtigt, Steuerveranlagungen durchzuführen? Angesichts der Komplexität des Steuerrechts werden wir auch hier noch viele Diskussionen führen.